- Viele Investoren achten bei der Analyse nachhaltiger Anlagen bisher vor allem auf Umweltaspekte (E) und die Unternehmensführung (G).
- Soziale Faktoren (S), die zusammen mit den beiden anderen Aspekten den sogenannten ESG-Dreiklang bilden, lassen sich vergleichsweise schwer klassifizieren.
- Eine Untersuchung legt aber nahe, dass gerade Unternehmen, die in sozialen Belangen vorne liegen, robuster auf allgemeine Risiken reagieren.
Ein nachhaltiges und verantwortungsvolles Leben zu führen, heißt für immer mehr Menschen auch bei der Geldanlage Titel von Unternehmen auszuwählen, die auf solche Aspekte achten. Indexanbieter nutzen zur Beurteilung der Unternehmen in diesem Bereich die sogenannten ESG-Kriterien. Dabei steht das „E“ für Environment – Umwelt, das „S“ für Social – Soziales und das „G“ für Governance – Unternehmensführung. Weil die Klimakrise aktuell ein großes Thema auf der politischen und medialen Agenda ist, scheinen sich viele Investoren momentan vor allem auf das „E“ in ESG zu fokussieren.
Dass Titel von Unternehmen mit guter Governance zu einer höheren Performance führen können, ist Thema im Artikel „Gute Unternehmensführung zahlt sich aus“. Wie aber sieht es mit dem Einfluss sozialer Aspekte bei der Geldanlage aus? Und welche Auswirkungen hat die Auswahl besonders sozial eingestellter Unternehmen auf das Investmentportfolio?
Was bedeutet sozial?
Dass Investoren bislang noch nicht so sehr auf Sozialstandards bei Unternehmen achten, zeigt sich etwa daran, dass sich bei den Firmen noch kein einheitliches Reporting für soziale Aspekte eingebürgert hat. Nur wenige Unternehmen verfügen über ein Berichtswesen, um Investoren Daten zu sozialen Themen präsentieren zu können. Im Vergleich dazu hat die starke Konzentration auf Umweltfaktoren die Herausgeber von Wertpapieren veranlasst, Systeme und Berichtskonzepte zu Themen wie Kohlenstoffemissionen, fossile Brennstoffreserven und Nutzung von sauberer Energie zu entwickeln.
Verbunden damit ist die Schwierigkeit, soziale Kennzahlen überhaupt festzulegen. Denn Soziales umfasst sehr viele verschiedene Themen: von Verbraucherschutz über Produktsicherheit, Arbeitsrecht und Arbeitssicherheit, Diversität, Bekämpfung von Korruption bis hin zur Einhaltung der Menschenrechte in der gesamten Lieferkette.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Faktoren in einzelnen Ländern unterschiedlich hoch gewichtet werden. So legen Deutsche im Schnitt ein höheres Gewicht auf die Einhaltung der Menschenrechte und die Vermeidung von Kinderarbeit. In England hat dagegen das Thema Diversität in der Belegschaft in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.
„Um hier voranzukommen, gilt es klar zu definieren und zu messen, was in erster Linie ein soziales Unternehmen ausmacht“, erläutert Robin Braun, Responsible Investment Officer bei der DWS. „Im nächsten Schritt muss entschieden werden, wie die einzelnen Aspekte zu gewichten sind, damit Anleger verschiedene Firmen und Sektoren im Bereich Soziales besser vergleichen können.“
Soziale Aspekte sind für die Risikobeurteilung enorm wichtig
Trotz der Herausforderung soziale Faktoren zu greifen, zeigt die Praxis, dass Unternehmen, die beispielsweise ihre Mitarbeiter schlecht bezahlen, mit erheblichen Schwierigkeiten rechnen müssen. So verlor etwa ein Personenbeförderungsdienst aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen vorerst seine Lizenz in London. Und eine Airline verbuchte rückläufige Passagierzahlen, nachdem bekannt wurde, dass sie ihren Piloten einen vergleichsweise niedrigen Lohn bezahlt. Ein weiteres Beispiel ist der Aufschrei, der nach eingestürzten Nähereien in Bangladesch durch die Medien ging und die Modebranche unter Druck setzte.
„Solche Beispiele unterstützen die Annahme, dass Unternehmen, die soziale Standards einhalten, stabiler wirtschaften können“, sagt DWS-ESG-Experte Robin Braun. „Denn kommen soziale Missstände einer Firma ans Licht, hat die Vergangenheit gezeigt, dass Stakeholder[1] dies in der Regel abstrafen.“
Auch eine Studie von Professor Alfonso Del Giudice von der katholischen Universität in Mailand zeigt, dass soziale Kriterien für das Risikomanagement von Bedeutung sind[2]. Er analysierte mehr als 1.000 Firmen aus 18 Ländern über einen Zeitraum von 14 Jahren. Das Ergebnis: Hohe soziale Standards können das systematische Risiko eines Unternehmens reduzieren. Als systematisches Risiko wird in der Portfolio-Theorie jenes Risiko bezeichnet, welchem alle Unternehmen ausgesetzt sind und das sich nicht durch Diversifikation[3] verringern lässt. Für die Faktoren „E“ und „G“ konnte Alfonso Del Giudice diesen Effekt nicht nachweisen.
Der Studie zufolge scheinen Unternehmen mit hohen Sozialstandards gegenüber Einflüssen wie beispielsweise Inflation oder wirtschaftlichen Schwächephasen robuster zu sein. Demnach könnte das „S“ Investoren dabei unterstützen, ein Portfolio aufzubauen, das weniger volatil auf Marktveränderungen reagiert.