04. Aug 2020 Immobilien

„Die Bereitschaft, in Immobilien zu investieren, bleibt hoch"

Clemens Schäfer kennt das Geschäft mit Immobilien seit nunmehr 22 Jahren und hat in dieser Zeit einen beispiellosen Aufstieg der Immobilienanlagebranche erlebt. Wie geht es jetzt weiter? Der Leiter des DWS-Immobilienfonds-Geschäfts erklärt, wie die fortschreitende Urbanisierung, der Trend zu mehr Homeoffice und der Boom beim Online-Shopping die Immobilienwelt verändern – und welche Schlüsse er daraus zieht.

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"Wir sind ein weltweit aufgestelltes Immobilien-Investmenthaus mit regionaler Expertise und Teams vor Ort in allen unseren Zielmärkten."

Clemens Schäfer, Head of Real Estate APAC & EMEA

Herr Schäfer, wie hat sich der Immobilien-Markt in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gewandelt?

Gemessen an der Nutzungsdauer einer gewerblichen Immobilie,  die für gewöhnlich bei mindestens 20 bis 30 Jahren liegt, je nach Instandhaltungsmaßnahmen aber auch deutlich länger ausfallen kann, habe ich während meines Arbeitslebens lediglich einen Teil eines durchschnittlichen Lebenszyklus einer Gewerbeimmobilie erlebt. Dafür aber einen sehr spannenden.

Die Branche ist sehr viel professioneller geworden. Anfangs gab es eine vornehmlich statische Betrachtung: Wie ist die Performance im ersten Jahr nach Aufnahme ins Portfolio?

Seit Jahren ist nun eine Cash-Flow-Analyse über den gesamten Lebenszyklus hinweg der Standard und Nachhaltigkeitsüberlegungen werden intensiv berücksichtigt. Insgesamt waren die letzten beiden Jahrzehnte vor allem durch sinkende Zinsen geprägt, was Immobilien als Anlage immer attraktiver gemacht hat. Die Immobilien-Anlagebranche erlebte dadurch einen stetigen Aufstieg. Dieser Zyklus ist nach wie vor intakt und wird nach unserer Auffassung noch viele Jahre anhalten.

Sie rechnen somit nicht mit steigenden Zinsen und einer damit womöglich verbundenen Wende am Immobilien-Markt?

Die Experten der DWS gehen von dauerhaft niedrigen Zinsen aus. Damit bleiben Immobilien in Relation zu Zinsanlagen attraktiv.

Clemens Schäfer

Head of Real Estate APAC & EMEA

Welche Bedeutung haben offene Immobilienfonds für Anleger?

Offene Immobilienfonds sind ein Basisprodukt in einem Anlageportfolio. Den meisten Anlegern ist es nicht möglich, sich ein Wohnobjekt mit vier, sechs oder acht Parteien zu kaufen und damit ein Immobilien-Investment bei der Geldanlage darzustellen, zumal eine einzelne oder sogar mehrere Eigentumswohnungen als Kapitalanlage keine ausreichende Risikostreuung bietet. Offene Immobilienfonds bieten Anlegern die Möglichkeit, bei angemessener Liquidität, kleinteilig und gut diversifiziert in Immobilien zu investieren. Sie erwirtschaften sicherlich keine Höchstrenditen, haben aber zumindest bei uns seit Auflegung der Fonds unserer grundbesitz-Familie in allen Jahren eine positive Rendite erzielt. Das ist, was unsere Anleger an einem Immobilien-Investment schätzen: Es soll stabil sein. Und darauf sind wir stolz.

Welche Mega-Trends sehen Sie auf den Immobilien-Märkten?

Vieles, was wir Menschen tun, findet in einer Immobilie statt. Deshalb hat alles was wir tun Auswirkungen auf die Art der Immobilien-Nachfrage. Ein großer Trend ist sicherlich die Urbanisierung, daran wird auch die Corona-Pandemie nichts ändern. Die Menschen wollen ein breites und gut erreichbares Freizeit- und Arbeitsangebot. Große urbane Ballungszentren verlieren deshalb nicht an Anziehungskraft. Ein weiterer Trend ist der Online-Handel. Nicht erst seit der Corona-Pandemie wissen wir, dass Online-Shopping boomt und der stationäre Einzelhandel darunter leidet. Deshalb ist auch hier ein Umdenken notwendig. Wenn Komfort Trumpf ist, muss sich der Einzelhandel noch kundenorientierter aufstellen. Ein bedarfsgerechtes Angebot direkt vor Ort, verknüpft mit einem echten Einkaufserlebnis kann helfen, Kunden wiederzugewinnen und zu halten. Hierfür investieren wir in unsere Shopping-Center und wir akquirieren Logistik-Immobilien, um auch vom Online-Handel profitieren zu können.

 

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Goldene Zeiten für den Logistikbereich?

Der Bedarf an Logistikflächen steigt durch den Online-Handel in der Tat immens. Hinzu kommt, dass durch die Pandemie die Lagerhaltung im produzierenden Gewerbe und in weiteren Geschäftsbereichen insgesamt überdacht wird und das Credo der schlanken Lagerhaltung, bekannt unter dem Stichwort „Just-in-time“, höheren Lagerbeständen weicht, was ebenfalls zu mehr Logistikflächennachfrage führen wird. 

Und der Wohnungssektor?

Während der Pandemie haben viele gemerkt, dass die eigene Wohnung oft zu klein ist. Mal eine Tür schließen zu können, wenn der Partner gerade eine Videokonferenz hat, ist plötzlich essenziell geworden. Die Nachfrage nach größerer Wohnfläche dürfte gerade durch den Trend zum Homeoffice weiter steigen. In den Innenstädten ist dieser Bedarf kaum zu befriedigen, weshalb die Randbezirke im S-Bahn-Bereich davon profitieren werden.

In welchen Bereichen sehen Sie attraktive Chancen für die grundbesitz-Fonds?

Wir messen insbesondere den Nutzungsarten Wohnen und Logistik große Bedeutung zu. Hier wollen wir die Allokation erhöhen.

Welche Risiken sehen Sie derzeit auf den Immobilien-Märkten?

Bei einer großen Rezession wird es auch hier zu Marktanpassungen kommen. Es wird darauf ankommen, die Vermietungsstände hoch zu halten. Der Leerstand ist der Feind der Ausschüttung. Letztlich werden aber die niedrigen Zinsen stabilisierend auf die Immobilienmärkte wirken.

Nachhaltigkeit gewinnt in allen Lebensbereichen an Bedeutung. Welche Rolle spielt das Thema bei der DWS?

Nachhaltigkeit ist sehr wichtig, schon seit Jahren. Bereits beim Erwerb einer Immobilie schauen wir uns sogenannte Nachhaltigkeitsfaktoren im Rahmen der Prüfung an. Neben den technischen Aspekten sind deshalb auch Klimafaktoren wichtige Kriterien. Von Fall zu Fall kann es durchaus attraktiv sein, eine Immobilie zu erwerben, deren technischer Zustand – nachhaltig betrachtet – aktuell noch nicht auf dem neuesten Stand ist. Auf den ersten Blick mag das dann paradox erscheinen, es gibt uns aber die Möglichkeit, das Gebäude auf einen zeitgemäß nachhaltigen Stand zu bringen, deutlich CO2 zu reduzieren und umweltverträglichere Materialien zu verwenden. Damit tragen wir aktiv zum Erreichen der Klimaziele bei.

Nachhaltigkeit bei Immobilien-Investments – ein Rendite-Killer?

Unsere Anleger erwarten, dass wir wirtschaftliche Entscheidungen treffen. Wenn die wirtschaftlichen Anforderungen, eine nachhaltige Immobilie herzustellen zu groß sind, dann müssten wir Abstand nehmen. Wenn sich Nachhaltigkeit wirtschaftlich lohnt, machen wir das sehr gerne. Es gibt heute eine sehr große Schnittmenge zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit. Ganz ehrlich: Eine Immobilie, die auf Dauer nicht nachhaltig ist, wird im Wettbewerb der Angebote nicht lange Bestand haben.

Werden die Bürostandorte in den Innenstädten durch den Trend zum Homeoffice in Wohnraum umgewandelt?

Wir haben während der Corona-Pandemie auch in unserem Unternehmen erlebt, dass es funktioniert, von zuhause aus zu arbeiten und bei vielen Arbeiten sogar besser als im klassischen Büro. Aber auch für Mitarbeiter im Homeoffice lohnt der regelmäßige persönliche Austausch. Insbesondere dort, wo es auf Teams ankommt. Und Büros haben in einem Unternehmen weiterhin ein identitätsstiftendes Element, bleiben Orte der Begegnung, auch mit Kunden. Aber die jetzigen Büroflächen werden künftig anders genutzt werden, beispielsweise mit größeren Anteilen für Konferenz- und Besprechungsräume. Der Trend zu innerstädtischen Büros dürfte ungebrochen bleiben. Ob dies in Zukunft allerdings auch noch für die Nachfrage nach Call Centern am Stadtrand gilt, sehe ich fraglich.

Wo liegen Stärken der DWS als Immobilien-Fondsmanager und was unterscheidet Sie von Ihren Wettbewerbern?

Wir sind ein weltweit aufgestelltes Immobilien-Investmenthaus mit regionaler Expertise und Teams vor Ort in allen unseren Zielmärkten. Dort beschäftigen wir überwiegend Mitarbeiter aus diesen Ländern. Denn das Geschäft mit Immobilien ist ein sehr lokales Geschäft. Ein Muss sind langjährige, lokale Netzwerke, um Immobilien erfolgreich einkaufen, vermieten und instand halten zu können. Die Teams müssen in den jeweiligen Märkten muttersprachlich unterwegs sein. Bezogen auf aktuelle Investitionstrends haben wir bereits vor zehn Jahren damit begonnen, Wohnimmobilienbestände aufzubauen – und werden das noch weiter ausbauen. Gerade der Wohnimmobiliensektor passt durch seine hohen Vermietungsstände und den sehr gut planbaren Mieterträgen optimal zu offenen Immobilienfonds.

Der Immobilienbereich der DWS setzt auf Wachstum. Gilt das auch für die grundbesitz-Fonds?

Das gilt insbesondere für die grundbesitz-Fonds. Aktuell verwalten wir mit unseren drei Fonds ein Vermögen von rund 14,2 Milliarden Euro[1]  – und das sollte noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Bei den Privatanlegern dürfte die Bereitschaft in Immobilienfonds zu investieren aufgrund der niedrigen Zinsen weiter zunehmen. Und wir sind besonders stolz, dass unsere grundbesitz-Immobilienfonds in allen Jahren seit ihrem Bestehen eine positive Rendite für die Anleger erwirtschaften konnten.

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