Warum der Dollar fällt und der Euro steigt

Die Kolumne von Klaus Kaldemorgen

Der Dollar und der Euro. Ein transatlantisches Verhältnis mit langer und, im wahrsten Sinne des Wortes, wechselhafter Geschichte.

05.02.2018 / Seit einigen Monaten schon schwächt sich nun der US-Dollar ab. Dabei war es im letzten Jahr noch die Parität zwischen US-Dollar und dem Euro die als Kursziel herhalten musste. Der Dollar bewegte sich aber nicht einmal ansatzweise in die prognostizierte Richtung, sondern verlor ziemlich kontinuierlich bis zum Jahresende 14 Prozent, auf über 1,20 US-Dollar je Euro. Auch der Start in diesem Jahr verlief unerwartet schwach für den Greenback. Innerhalb von vier Wochen verlor er weitere 4,4 Prozent zum Euro.

Kaufkraftparität springt wie Kai aus der Kiste

Deshalb ist es nun anscheinend an der Zeit nicht nur die Prognosen zu ändern, sondern diese auch irgendwie argumentativ zu untermauern. Da springt plötzlich die sogenannte Kaufkraftparität als Argument wie Kai aus der Kiste. Die Kaufkraftparitätstheorie besagt, dass die Wechselkurse zwischen zwei Währungen schwanken, um die Preisunterschiede in den verschiedenen Währungsräumen auszugleichen. Da die Kaufkraftparität nach Berechnungen der OECD einen US-Dollar-/Euro-Kurs von etwa 1,33 nahelegt, verblüfft es nicht, dass sie als Prognosegrundlage zurzeit voll im Trend liegt.

Natürlich ist die Frage nicht nur erlaubt, sondern auch berechtigt, warum man gerade jetzt die Kaufkraftparität aus der ökonomischen Mottenkiste holt. Der Grund liegt auf der Hand: man möchte eine Prognose hören, die zum Geschehen passt. Oder anders gesagt, keiner möchte sich mit Prognosen quälen lassen, die im Widerspruch zum tatsächlichen Trend der Wechselkurse liegen. Und dieser Trend zeigt beim US-Dollar augenblicklich klar nach unten.

Politische Faktoren sprechen für den Euro

Eine Änderung der Prognose bedarf aber einer nachvollziehbaren Determinante. Das wichtigste Argument für einen schwachen Euro respektive starken US-Dollar war die Zinsdifferenz zwischen vergleichbaren Anlagen. Sie liegt im Augenblick für Dreimonatsgeld bei 1,73 Prozent pro Jahr zugunsten der US-Dollar Anlage. Diese hat sich seit Anfang des letzten Jahres sogar noch ausgeweitet, das heißt Zinsanlagen in den USA sind noch attraktiver geworden. Politische Faktoren haben sich hingegen klar zugunsten des Euros entwickelt. Die Wahl Macrons in Frankreich hat die Euro Skeptiker in Europa zum Verstummen gebracht, während in den USA Trump als unberechenbar und damit als Risiko gesehen wird – trotz der US-Steuerreform.

Keine neue Erklärungsmuster nötig

Ebenfalls positiv für den Euro haben sich die relativen Wachstumsraten zwischen Europa und den USA entwickelt. Lagen noch Anfang 2017 die Wachstumsschätzungen für die Eurozone bei 1,4 Prozent und die USA bei 2,2 Prozent, so geht man seit Ende 2017 in etwa von identischen Wachstumsraten in Höhe von 2,2 Prozent aus. Auch wenn politische Faktoren schwer quantifizierbar sind, haben sich in 2017 zwei von drei wichtigen Wechselkursdeterminanten zugunsten des Euros entwickelt und erklären damit zumindest für das vergangene Jahr den positiven Trend der europäischen Leitwährung. Es besteht also überhaupt kein Grund neue Erklärungsmuster (vergl. Kaufkraftparität) für den Wechselkurs heranzuziehen.

Der Wechselkursprognose lag schlicht eine zu negative Einschätzung der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung der Eurozone zu Grunde. Da Wechselkurse noch von vielen weiteren, oft schwer zu quantifizierbaren Faktoren abhängen, gehen Investoren dazu über sich an Trends zu orientieren. Das heißt sie orientieren sich nicht an Punktprognosen sondern folgen dem Trend solange er intakt ist. Dies führt fast immer zu einem Überschießen der Wechselkurse. Verlieren Determinanten schließlich an Dynamik, sollte die Zinsdifferenz wieder das Ruder übernehmen. Dies spräche für eine Wiederbelebung des US Dollars. Eine Trendwende sollte sich aber zumindest ansatzweise abzeichnen bevor man wieder ins (Währungs-) Risiko geht.

Preisvergleich beim iPhone X

Glaubt trotzdem jemand an die Prognosequalität der Kaufkraftparität, so lohnt ein Vergleich des Preises für das iPhoneX auf beiden Seiten des großen Teichs. In den USA ist dieses iPhone-Modell umgerechnet zum gegenwärtigen Wechselkurs für etwa 960 Euro zu haben. In Deutschland kostet das gleiche Modell 1.319 Euro, also fast 360 Euro mehr. Legt man die Kaufkraftparität zugrunde, wäre der US Dollar um fast 30% unterbewertet. Aber leider taugt dieses Modell nichts mehr in einer Welt, wo Handelsströme nur noch einen Bruchteil der gesamten Kapitalströme repräsentieren. Und so geht die wechselhafte Geschichte der beiden Leitwährungen der westlichen Hemisphäre ungebrochen weiter.

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