Technologieaktien und die wundersame Welt der Indizes

Die Kolumne von Klaus Kaldemorgen auf handelsblatt.com

Technologieaktien sind in aller Munde und gehören zu den Rennern an den Aktienmärkten. Jedoch ist die Zuordnung von Unternehmen zu diesem Sektor in den gängigen Indizes oft inkonsistent.

11.06.2018 / Die digitale Revolution hat nicht nur unseren Alltag, sondern auch die Aktienmärkte im Sturm erobert. Und es ist den Anlegern nicht zu verdenken, dass sie mit ihren Aktienanlagen ein Stück vom Kuchen abbekommen. Von den zehn größten Unternehmen der Welt lassen sich mittlerweile sieben der digitalen Welt zuordnen. In welchen Indizes bzw. Märkten Anleger investieren müssen, um auch investmenttechnisch in der Zukunft anzukommen, ist hingegen nicht ganz so leicht zuzuordnen.

Kursindex und Performanceindex

Vielleicht an dieser Stelle noch eine kleine Exkursion: Das Deutsche Aktieninstitut definiert einen Aktienindex als Kennziffer zur Darstellung der Kursentwicklung (Kursindex) oder Performance (Performanceindex) von Aktien. Das Verhalten eines Aktienkursindex wird insbesondere durch die Kurse der im Index enthaltenen Aktien beeinflusst sowie durch deren jeweilige Gewichtung. Dagegen zeigt ein Performanceindex die Marktentwicklung des Aktienportfolios aus Titeln des Index. Technische Einflüsse wie Dividendenausschüttungen und Kapitalmaßnahmen, die i.d.R. zu Kursabschlägen führen, werden mit Korrekturfaktoren in der Indexformel berücksichtigt. Es gibt Indizes, die aus relativ wenigen Titeln zusammengesetzt sind, wie zum Beispiel der deutsche Aktienindex DAX. Diese repräsentieren jeweils die wichtigsten, sprich größten Unternehmen eines Landes. Andere Indizes bestehen aus mehreren hundert verschiedenen Titeln, z.B. der S&P 500 oder der Dow Jones STOXX 600. Die Zahl im Indexnamen bezieht sich tatsächlich auf die Anzahl der enthaltenen Titel. Ein Branchenindex zeigt die Entwicklung der Aktien einer bestimmten Branche aus einem breiten Index, so z.B. für Technologieunternehmen aus dem Dow Jones STOXX.

Etwa 25 Prozent des S&P 500 sind dem Technologiesektor zuzurechnen

Zurück zum Hauptthema: Technologiewerte sind geografisch sehr ungleich verteilt. Möchte ein Anleger sich auf Indizes mit Aktien der Eurozone konzentrieren, weil er vielleicht keine Währungsrisiken eingehen möchte, so wird sein Anteil an Technologiewerten bei etwa 9 Prozent liegen. Dabei ist es egal, ob er sich am STOXX Eurozone oder am MSCI Euro orientiert. In den USA stößt der Anleger auf ein deutlich größeres Angebot. Etwa 25 Prozent des S&P 500 sind dem Technologiesektor zuzurechnen. Groß ist die Diskrepanz des Technologieanteils bei chinesischen Aktienindizes. Der relativ bekannte Hang Seng China Enterprise Index (HSCE) kommt lediglich auf etwa 4 Prozent Technologiewerte. In diesem Index dominieren Finanzwerte mit knapp 70 Prozent und Energiewerte mit 12,5 Prozent. Nimmt man hingegen den MSCI China als Referenzindex, dann bekommt man sage und schreibe 39 Prozent Technologiewerte für sein Geld, aber nur 22 Prozent Finanzwerte (Gott sei Dank). Der bemerkenswerte Unterschied liegt in den unterschiedlichen Konstruktionskriterien und Zuordnungen zu den Indizes begründet. Im MSCI China Index sind die beiden chinesischen Technologiegiganten Ali Baba und Tencents mit insgesamt 29% gewichtet, während der HSCE Index nur Tencents und nur mit 4 Prozent Gewichtung abbildet.

Digitale Plattformen

Um sicherzugehen, dass in einem Aktienportfolio der Anteil von Technologiewerten hinreichend abgebildet wird, bietet sich ein globaler Aktienindex wie der MSCI All Country World Index an. In diesem Index halten Technologieaktien einen Anteil von 20 Prozent. Dies alles unter der Prämisse, dass Digitalisierung synonym zu Technologiewerten in Aktienindizes zu verstehen ist. Das ist allerdings nicht der Fall. Die bekannten aber auch weniger bekannten „Digitalen Plattformen“ werden in einer nicht nachvollziehbaren Systematik unterschiedlichen Sektoren zugeordnet. So wird das Unternehmen Amazon dem Konsumgütersektor zugerechnet, und von den gängigen Indizes als „E-Commerce“-Unternehmen wie ein Einzelhändler geführt, obwohl der Großteil des Gewinns aus sogenannten „Web“- Diensten stammt. Inkonsistent ist die Einstufung von Ali Baba als Tech-Wert, obwohl das Unternehmen das gleiche Geschäftsmodell wie Amazon hat, nur eben in China.

Auch Alphabet (= Google) und Facebook werden demnächst den Technologiesektor verlassen und im Konsumgütersektor als Medienunternehmen eingestuft. Völlig verwirrend auch die Einstufung der Kreditkartenunternehmen Visa und Mastercard als Technologiewerte und nicht als Finanzwerte. American Express hingegen scheinen die Herrscher über die Indizes die Technologiekompetenz abzusprechen, da dieses Kreditkartenunternehmen anders als seine direkten Konkurrenten als Finanzwert eingestuft ist. Um für größere Klarheit zu sorgen, wäre ein separater Industriesektor für „Digitale Plattformen“ wünschenswert. So könnten Portfoliomanager und Investoren ihre Portfolios noch trennschärfer und transparenter zusammenstellen.

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