US-Aktien

Die Kolumne von Klaus Kaldemorgen

Sind US-Aktien zu teuer? Immer wieder hört man, dass professionelle Anleger dieser Meinung sind. Was aber sagen die Zahlen?

27.04.2018 / Einer repräsentativen Umfrage der Bank of America Merrill Lynch, „Global Fund Manager Survey“ genannt, ist zu entnehmen, das Portfoliomanager etwa seit Anfang 2017 US Aktien in ihren Portfolios untergewichtet haben. Das bedeutet sie haben verhältnismäßig wenig US-Aktien in den Portfolios. Deutlich übergewichtet sind in den Portfolios hingegen Aktien der Eurozone. Das spricht für eine Überbewertung der amerikanischen Aktienmärkte. Und das, obwohl sich der US-Aktienmarkt über die letzten Jahre richtig positiv entwickelt hat. ‚Zu Recht?‘, mag sich der Anleger fragen.

Tatsächlich relativ niedrige Bewertung in Europa?

Denn nach einem Jahrzehnt der Outperformance des amerikanischen Aktienmarktes scheint die mittlerweile objektiv sicher nicht niedrige Bewertung der US-Aktien die Fondsmanager zu einem Umdenken zu bewegen. Auch Aktienstrategen verweisen auf die relativ günstige Bewertung europäischer Aktien im Vergleich zu US-Aktien. Der Verweis auf die relativ niedrige Bewertung in Europa reduziert allerdings komplexe Zusammenhänge auf ein plakatives Argument und vergleicht salopp gesagt Äpfel mit Birnen. Der Umstand, dass Portfoliomanager die USA in globalen Portfolios seit einiger Zeit Untergewichten ist im Übrigen nicht spektakulär, wenn man sich die Gewichtung der USA in einem globalen Index vor Augen hält. Mit knapp 60 Prozent Gewicht halten amerikanische Aktien klar die Pole Position vor europäischen Aktien, die auf etwa 25 Prozent kommen. Die Eurozone hält trotz ihrer Wirtschaftsleistung nur ein Gewicht von knapp 13 Prozent.

Allein aus Diversifikationsüberlegungen erscheint ein etwas geringeres Gewicht der Vereinigten Staaten also angeraten. Auch unter dem Aspekt, dass die amerikanische Wirtschaft etwa 25 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung ausmacht sind 60 Prozent US Aktien in globalen Indizes vielleicht schwer zu rechtfertigen, auch wenn ein großer Teil der US-Firmen große Teile ihrer Wertschöpfung außerhalb der USA verortet. Schauen wir uns aber zunächst die Fakten an. Der US Aktienmarkt hat gemessen am S&P 500 ein Kurs-Gewinn Verhältnis (KGV) von 21 mit einer Dividendenrendite von knapp 2 Prozent. Der europäische STOXX Europe 600 kommt auf ein KGV von 16 mit einer Dividendenrendite von 3,4 Prozent. Der DAX liegt mit einem KGV von 14 sogar noch niedriger. Bewertungen kann man nun relativ zu einander vergleichen, aber auch historisch würdigen. Historisch liegen die KGVs in Europa und den Vereinigten Staaten über dem langfristigen Durchschnitt.

60 Prozent US-Aktien in globalen Indizes

Daraus zu schließen, dass die Märkte teuer sind ist aber nicht zulässig, da Bewertungen immer auch eine Funktion der Zinsen sind: Je niedriger der Zins desto höher die Bewertung. Aktuell liegen die Zinsen deutlich unter den Durchschnitten der letzten Jahrzehnte. Vielleicht also doch eher die Bewertungen zwischen den Märkten vergleichen, also Äpfel und Birnen? Ist ja schließlich beides Obst. Die Antwort ist aber: nein, man sollte sie nicht vergleichen. Ebenso wenig wie die KGVs von Indizes. Schaut man sich die Sektorengewichtung der US-Indizes im Vergleich zu Europa an, stellt man verblüffende Divergenzen fest: So liegt die Indexgewichtung der hochbewerteten Technologiewerte (KGV im Durchschnitt bei 23) in den USA bei etwa einem Viertel, während in Europa deren Gewicht bei etwas über 5 Prozent liegt – einem Zwanzigstel.

Bewertungen und Zinsen

Ein völlig anderes Bild ergibt sich bei den vergleichsweise niedrig bewerteten Finanzwerten (KGV in Europa bei durchschnittlich 12). Europäische Indizes haben bei den Finanzdienstleistern ein Gewicht von etwa 22 Prozent, während sie in den Vereinigten Staaten auf knapp 15 Prozent kommen. Schon allein, dass Sektoren in Europa und den Vereinigten Staaten also unterschiedlich gewichtet sind, ist ein Vergleich nicht wirklich zielführend. Ist man allerdings der Meinung, dass Technologiewerte zu teuer bewertet sind und Banken zu niedrig würde dies für eine stärkere Gewichtung europäischer Aktien sprechen. Bewertungen zwischen Sektoren zu vergleichen würde aber den Rahmen einer Kolumne sprengen.

Anleihe-KGVs sprechen für Aktien der Eurozone

Für jene die trotzdem auf Aktien der Eurozone setzen, wozu sich auch der Verfasser bekennt, ein vergleichsweise schlichtes Argument: Das KGV einer 10-jährigen deutschen Bundesanleihe liegt bei 175 (!). Dies vergleicht sich mit einem KGV des Euro STOXX 50 von 16. Die Rendite der Bundesanleihe liegt bei 0,6 Prozent, die Dividendenrendite bei 3,4 Prozent. In den Vereinigten Staaten liegt das KGV der 10-jährigen Anleihe bei 33 mit fallender Tendenz und die Dividendenrendite bei 3 Prozent. Für einen europäischen Anleger der kein Währungsrisiko eingehen möchte, sind Aktien also klar im Vorteil gegenüber Anleihen. Für US-Anleger ist das aber längst nicht mehr so eindeutig.

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