Kommt die Abschaffung der Zwangs-Garantien bei Riester?

Frank Breiting, Leiter Vertrieb Private Altersvorsorge, verantwortet den Retailvertrieb von Asset Management Lösungen an Versicherer in Deutschland. Im Gastbeitrag bei PLATOW Spezial "Geldanlage Altersvorsorge" spricht er über die geplante grundsätzliche Reform der Riester-Rente, die für diese Legislaturperiode geplant ist.

Kommt die Abschaffung der Zwangs-Garantien bei Riester?

Die Bundesregierung hat sich für diese Legislaturperiode eine grundsätzliche Reform der Riester-Rente auf die Fahne geschrieben. In welche Richtung diese gehen soll, zeichnet sich bislang aber noch nicht ab. Das ist einerseits gut, da dies Diskussionen ermöglicht. Andererseits wird das zu bohrende Brett dadurch möglicherweise deutlich dicker. Es bleibt spannend, gerade auch mit Blick auf das Thema Garantie, das bereits bei der Nahles-Reform der betrieblichen Altersvorsorge heiß diskutiert wurde.

Der Koalitionsvertrag enthält viele wichtige Punkte zur Altersvorsorge und der Wille der regierenden Parteien, hier Reformen in die Wege zu leiten, ist offenkundig. Dies ist gut für alle Bürger. Neben der Etablierung einer Informationsplattform über alle Rentenansprüche in Deutschland (staatlich, betrieblich und privat) und der Pflicht für Selbstständige, für den Ruhestand vorzusorgen, steht auch das große Thema Riester auf der Agenda – und das ohne vordefinierte Lösungsansätze. Man will, so kann man lesen, „die private Altersvorsorge weiterentwickeln und gerechter gestalten“ und hierzu mit der Entwicklung eines „attraktiven standardisierten Riester-Produkts“ seitens des Staates beitragen. Dies lässt am einen Ende der Skala Raum für eine Rückverstaatlichung der privaten Vorsorge (Deutschlandrente), am anderen Ende ist auch der Ausbau der privaten Vorsorge durch eine große Reform der alten Riester-Systematik denkbar. Eines ist aber klar, in jeder nur denkbaren Lösung werden Garantien ein Thema sein.

Garantiezwang – Ein Relikt aus der Vergangenheit

In Zeiten hoher Zinsen tat sich der deutsche Staat leicht, Arbeitgeber oder Finanzdienstleister dazu zu verpflichten, nominale Verluste bei staatlich geförderten Sparvehikeln auszuschließen. So hat nahezu jede Betriebsrente de facto eine Beitragsgarantie und jede Riester-Rente gezwungenermaßen. Lediglich bei den Selbstständigen hat man eine Ausnahme gemacht: Bei der Basisrente ist eine Garantie nicht zwingend vorgesehen. Das Argument seinerzeit lautete: Ein Selbstständiger ist Unternehmer, er muss daher ganz andere Risiken bewältigen können und
braucht diesen zusätzlichen „Schutz“ nicht. Inwieweit jeder freischaffende Fernfahrer oder Friseur ein besserer Risikomanager ist als ein angestellter Kaufmann oder Verkäufer, dazu gibt es keine Untersuchungen. Bei Einführung von Riester und Rürup wurde dieses Argument jedoch von niemandem wirklich intensiv hinterfragt. Schließlich gab es hohe Zinsen auf sichere deutsche Anleihen, was attraktive Renditen mit und ohne Garantie gleichermaßen ermöglichte. Durch die anhaltende Niedrigzinsphase hat sich das fundamental geändert, weshalb Garantien sinken oder nach und nach nicht mehr angeboten werden:

Nahles-Rente: Garantieverbot für die neue Betriebsrente.
Aus der Sorge heraus, dass dieses neue Vehikel der Betriebsrente zu unattraktiv werden könnte, hat der Gesetzgeber Garantien hier ganz verboten. Denn es war schon in der vergangenen Legislaturperiode eine Mehrheitsmeinung, dass leistungsfähige Angebote Anlagen in Sachwerte erfordern, eine Garantie jedoch exakt in die entgegengesetzte Richtung wirkt.

Pan European Personal Pension Product (PEPP):
Kapitalschutz, aber keine Garantie. Hier ist die Diskussion zwar noch im Gange, aber auch beim PEPP, einer gesetzgeberischen europaweiten Neuerung, die gerade in Brüssel erarbeitet wird, sieht der Europäische Rat aktuell keine zwingende Notwendigkeit für eine Kapitalgarantie. Vielmehr werden auch Lebenszyklusstrategien als geeignete Absicherungsinstrumente angesehen.

Die Basisrente: Garantie rein optional.
Für eine eingeschränkte Zielgruppe dürfen sich Angebot und Nachfrage frei finden und Garantien, wie bereits weiter oben beschrieben. Die Gründe für diese Einschränkung sind fragwürdig.

Der aktuelle Koalitionsvertrag – Mehrere Auslöser für eine grundlegende Reform

Betrachtet man die relevanten Passagen im Koalitionsvertrag, erkennt man, dass die Themen Rente und Vorsorge bedeutsam werden können, sobald man sich wieder in einem regulären Arbeitsmodus befindet. Doch was genau steht im Vertrag und warum kann jeder einzelne Punkt die
Initialzündung für eine Garantiereform sein?

Ein attraktives Riester-Standardprodukt

„Wir halten am Drei-Säulen-Modell fest und wollen in diesem Rahmen die private Altersvorsorge weiterentwickeln und gerechter gestalten. Es ist ein Dialogprozess mit der Versicherungswirtschaft anzustoßen, mit dem Ziel einer zügigen Entwicklung eines attraktiven standardisierten Riester-Produkts.“

Hier ist der mögliche Einfluss auf Riester am offenkundigsten. Und dass bei einer Riester-Reform, wie auch immer sie am Ende ausfallen mag, die hundertprozentige Garantie wohl wird weichen müssen, zeigt ein Blick in die Meinungsäußerungen wichtiger Akteure. So haben Verbraucherschutzorganisationen bereits klargemacht, dass Garantien abgeschafft werden müssten. Viele Produktanbieter und Beraterorganisationen fordern nicht nur die Abkehr von Garantien, sie bieten tatsächlich kaum noch Riester-Renten an, was an der Komplexität des Zulagenverfahrens und an der geringen Attraktivität der Kapitalanlage durch die Garantie liegt. Was die Große Koalition von Garantien hält, zeigt das Garantieverbot in der bAV. An die Vereinfachung der Verwaltungsprozesse muss man sich zusätzlich aber auch herantrauen.

Vorsorgepflicht für Selbstständige

„Um den sozialen Schutz von Selbstständigen zu verbessern,wollen wir eine gründerfreundlich ausgestalteteAltersvorsorgepflicht für alle Selbstständigen einführen[…]. Grundsätzlich sollen Selbstständige zwischen der gesetzlichenRentenversicherung und – als Opt-out-Lösung– anderen geeigneten insolvenzsicheren Vorsorgeartenwählen können.“

Der Plan sieht vor, Selbstständigen die Wahl zu lassen zwischen dem Einstieg in das Umlageverfahren und privater Vorsorge. Hier gibt es speziell für Selbstständige die Basisrente als Lösung. Allerdings wird diese nur durch Steuerreduktionen gefördert. Gerade „Solo-Selbstständigen“, das sind jene Unternehmen, die dem Staat die größte Sorge bereiten, nutzt diese Art der Förderung so gut wie gar nichts. Sie zahlen schon jetzt kaum Steuern und die eingeschränkten Möglichkeiten, Geld zurückzulegen führen zu einem verschwindend geringen Steuervorteil. Für diese Gruppe wäre die Riester-Förderung mit ihrer Kombination aus niedriger Mindesteigenleistung und potenziell hoher Förderung in Euro optimal geeignet. Es wäre auch kein Systembruch, dieses Vehikel für Selbstständige zu öffnen, da es steuerfinanziert ist und somit problemlos alle Steuerzahler in Deutschland gefördert werden könnten. Diese Idee findet auch Anklang. Damit würde das Argument ad absurdum geführt, dass diese Gruppe keine Garantien benötigt, da man sie im gleichen Atemzug zwingen würde, eine solche zu wählen. Es wäre folgerichtig, es auch hier dem Sparer zu überlassen, ein Angebot zu wählen, dass seiner Risikoneigung entspricht – mit hoher Garantie, mit variabler Garantie oder ganz ohne.

Renteninformationsplattform

„Wir werden eine säulenübergreifende Renteninformation einführen, mit der Bürgerinnen und Bürger über ihre individuelle Absicherung im Alter Informationen aus allen drei Säulen erhalten und möglichen Handlungsbedarf erkennen können. Die säulenübergreifende Renteninformation soll unter Aufsicht des Bundes stehen.“

Wenn jeder Bürger erkennen kann, wie viel Rente ihm voraussichtlich im Alter nach Steuer und Inflation zur Verfügung stehen wird, werden viele Bürger sehen, dass ein Rentenniveau zum Erhalt des bisherigen Lebensstandards oder gar zum Erfüllen der Träume im Alter nur mit der eigenen Arbeit nicht zu erreichen ist. Es erfordert zwingend eine reale Rendite nach Inflation, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Produkte, die auf Sicherheit setzen, erreichen dies aber momentan nicht und sollten spätestens dann vom Staat nicht mehr die einzigen sein, die gefördert werden. Aus diesem Grund sollten sie dann auch das Privileg der alleinigen staatlichen Förderung verlieren. Anderenfalls würde die Politik ein Produkt aus Steuermitteln bevorteilen, das nicht dazu beiträgt, die Probleme zu beseitigen.

MiFID, IDD, PRIIP, PIB sind nicht nur Buchstabensuppe, sondern klarer Auftrag
Die dominierenden Regulierungsprojekte der vergangenen drei Jahre sind zwar nur für wenige Menschen in ihrer Gesamtheit vertrautes Terrain. Doch auch wer sich nur oberflächlich damit beschäftigt, erkennt in allen Initiativen mehrere dominante zugrundeliegende Motive:

  1. Kostentransparenz
  2. Bedarfsgerechtigkeit von Produkten
  3. Anpassung der Produktauswahl an die Risikoneigung der Kunden

Während Garantien und Kostentransparenz keine Wechselwirkungen haben, ist eine Zwangsgarantie im Riester-Markt nicht nur hinderlich für die Punkte zwei und drei, sie ist sogar vollständig kontraproduktiv. Woran kann man das festmachen? Hier hat eine jüngst veröffentlichte Studie des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) bemerkenswerte Resultate gezeigt.


Klassifikation fondsgebundener Riesterprodukte in die Chancen-Risiko-KlassenKlassifikation fondsgebundene Riesterprodukte in Chancen-Risiko-Klassen

Quelle: IVFP (Februar 2018), zusätzliche IVFP Recherchen


Das IVFP hat untersucht, wie viele fondsgebundene Produkte (Versicherungspolicen mit Investmentfonds oder Fondssparpläne) es für Ansparzeiträume von 20 und 30 Jahren im Markt gibt. Naturgemäß eignen sich solche Produkte insbesondere für Kunden, bei denen die Einstufung gemäß IDD oder MiFID ergeben hat, dass sie eine gewisse Risikoneigung haben und mit Kapitalmarktschwankungen umgehen können.

Ein 37-jähriger Kunde, der bis zum Alter von 67 Jahren sparen möchte und sich in der Chance-Risiko-Klasse (CRK) 5 eingestuft hat, findet kein einziges Riesterprodukt im Markt. In der nächstniedrigeren sind es nur zwei Produkte eines einzigen Anbieters, die noch dazu nur über einen speziellen Vertriebsweg erhältlich sind. Für einen 47-Jährigen finden sich fondsgebundene Produkte de facto nur in der Chance-Risiko-Klasse 2. Für ältere Menschen jenseits der 50 gibt es nur noch 20 fondsgebundene Angebote im Markt, allesamt (!) in der CRK 2, da hier die Garantie und die auf kurze Sicht niedrigen Zinsen einen sehr renditeschwachen Mix ergeben, den nur wenige Unternehmen überhaupt noch anbieten können oder wollen.


Klassifizierung von Riester- und Basisrenten-Produkten in Chance-Risiko-Klassen - Laufzeit 30 Jahre

Klassifizierung von Riester- und Basisrenten-Produkten in Chance-Risiko-Klassen Laufzeit 30 Jahre
Quelle: IVFP, Die Renditechancen der (fondsgebundenen) Riester-Rente im aktuellen Marktumfeld (Februar 2018)


Wozu also macht man sich staatlicherseits die Mühe, dafür zu sorgen, dass Kunden und Berater die Risikotragfähigkeit von Kunden sorgfältig ermitteln, wenn man am Ende ohnehin nur ein Produkt in der CRK 2 erhalten kann und das ausschließlich auf Grund des staatlichen Garantiezwangs? Aus Kundensicht könnte man das sogar als staatliche Mogelpackung empfinden, denn qualifiziert man sich für ein aktienlastiges Produkt und wählt deswegen einen Fondssparplan oder eine Fondspolice, wird diese allerdings so stark eingeschränkt, dass kaum Aktien enthalten sind. Dass ein Fehlen dieses externen Zwangs zu einer deutlich ausgewogeneren Angebotspalette führt, zeigt ein Vergleich des Marktes für Riester-Produkte mit dem für Basisrenten. In diese Betrachtung sind alle fondsgebundenen Produkte und klassischen Versicherungslösungen eingeflossen.

Zentrales Ergebnis: In einem Markt, in dem der Staat keinen Zwang ausübt, sind alle Klassen mit Produkten belegt und es wird damit überhaupt erst die Voraussetzung dafür geschaffen, Kundenwunsch und Vorsorgelösung in Einklang zu bringen. Andererseits zeigt sich, wie wenige Produkte in CRK 1 freiwillig angeboten werden, wenn es keinen Zwang dazu gibt. Denn diese Produkte haben die niedrigste Renditechance, was im aktuellen Umfeld oft einen realen Kaufkraftverlust bedeutet. Die Studie belegt jedoch auch, dass in einem Markt ohne erzwungene Garantie durchaus weiter Garantien angeboten werden können. Für einige Zielgruppen oder für kurze Ansparphasen sind Garantien durchaus noch sinnvoll. Eine solche Lösung sollte aber zum Kunden passen und nicht pauschal für jeden Menschen identisch sein.

Außerdem zeigt sich, dass es für eine Zielgruppe von 4 Mio. Selbstständigen eine Auswahl von rd. 130 Produkten gibt, für über 30 Mio. Riester-Sparer aber kaum noch 60, Tendenz weiter fallend. Dafür ist neben der überbordenden Komplexität in der Verwaltung von Zulagen und Wohn-Riester vor allem die Garantie verantwortlich.

Kurzum, das Thema Garantie wird sicher in den kommenden drei Jahren heiß diskutiert werden. Allerdings sind die Weichenstellungen der Vergangenheit und die Schäden der erzwungenen Garantie schon heute so offenkundig, dass das einzig sinnvolle Ergebnis auf der Hand liegt: Weitermachen ohne Garantiezwang.

Quelle: PLATOW Spezial Altersvorsorge, Ausgabe Herbst 2018/19, 17.09.2018

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