24. Aug 2022 Aktien

Euro-Dollar-Parität: Was sie für Anleger bedeutet

Der Euro war im Juli 2022 erstmals nach 20 Jahren wieder genauso viel wert wie ein US-Dollar. Ein kurzer Überblick zum Hintergrund und Antworten auf Anlegerfragen.

  • Die jüngste Talfahrt des Euro-Kurses und die relative Stärke des US-Dollars haben mehr als eine Ursache.
  • Zu den wesentlichen Faktoren zählen unterschiedlich hohe Zinsen und die aktuelle Energiekrise.
  • Die gute Nachricht: Für Anleger mit langfristigem Investmenthorizont fallen Währungsschwankungen in der Regel weniger stark ins Gewicht.
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In diesen Tagen fühlen wir uns des Öfteren in die jüngere und fernere Vergangenheit zurück katapultiert: Die Coronapandemie rückt wieder stärker auf die Agenda. Andauernde Lieferkettenprobleme der Krieg in der Ukraine sorgen dafür, dass wir erneut häufiger vor leeren Regalen stehen. Gleichzeitig ist vieles teurer geworden. Die Inflation [1] ist derzeit so hoch wie zuletzt vor 50 Jahren [2]. Im Juli trat ein weiteres Phänomen in Erscheinung: die Euro-Dollar-Parität. Die europäische Gemeinschaftswährung ist also zwischenzeitlich exakt so viel wert gewesen wie ein US-Dollar. Das war das letzte Mal vor rund 20 Jahren der Fall [3] – in dem Jahr, als der Euro erstmals in Form von Münzen und Banknoten in Umlauf gebracht wurde.

Währungsschwankungen sind ein alltägliches Phänomen und haben vielfältige Ursachen.

Wie ist es zur Euro-Dollar-Parität gekommen?

Zunächst einmal sind Wechselkursschwankungen bei Währungen etwas völlig Normales, ein alltägliches Phänomen. Sie können durch viele unterschiedliche Faktoren ausgelöst werden, wie zum Beispiel Inflation, veränderte Zinsen, aber auch geopolitische Krisen und haushaltspolitische Entscheidungen. Für die jüngste Parität von Euro und US-Dollar dürfte ein Cocktail verschiedener Ursachen verantwortlich gewesen sein.

Vorweggenommen sei zunächst die relative Stärke des Greenbacks [4]. Viele Anleger beurteilen den US-Dollar traditionell als sicheren Hafen [5] – vor allem in schwierigen Marktphasen. Er lässt neben dem Euro derzeit auch weitere Währungen schwach aussehen. Obwohl für die US-Wirtschaft ebenfalls Rezessionssorgen [6] bestehen, sind die dortigen Rahmenbedingungen anders als in Europa. Die hiesige Notenbank Federal Reserve (Fed) geht bereits seit Längerem mit starken Zinsanhebungen energisch gegen die Inflation vor. Die höheren Zinsen wiederum ziehen vermehrt Anlegerkapital an. Fließt mehr Geld nach Übersee, stützt das die Nachfrage des US-Dollars entsprechend.

Die Europäische Zentralbank (EZB) verhielt sich in Sachen Zinspolitik bis vor Kurzem noch sehr zurückhaltend. Neben der hohen Inflation besteht in der Europäischen Union die Sorge, dass die durch Zinserhöhungen steigenden Kreditfinanzierungskosten eine neue Schuldenkrise in stark verschuldeten Mitgliedsstaaten auslösen könnten. Der jüngste Beschluss der EZB am 21. Juli, alle Leitzinsen nun doch deutlich stärker als erwartet um 50 Basispunkte anzuheben, war eigentlich ein positives Signal für den Euro-Wechselkurs. Jedoch dürften die aktuelle Energiekrise sowie die Regierungskrise in Italien weiterhin Druck auf europäische Gemeinschaftswährung ausüben.

Sind Anlagen in exportstarke EU-Unternehmen durch den schwachen Euro jetzt attraktiv?


Für exportstarke Unternehmen kann eine schwache heimische Währung generell von Vorteil sein. Denn sie führt dazu, dass ihre Produkte und Dienstleistungen für Käufer aus dem Ausland preiswerter erscheinen. Aus diesem Grund kam es in der Vergangenheit auch immer wieder zu bewussten Währungsabwertungen von Regierungen, um die heimische Wirtschaft anzukurbeln und international wettbewerbsfähiger zu machen.

In der aktuellen Marktphase mit Lieferkettenproblemen und weiteren Unwägbarkeiten ist es jedoch nicht ratsam, diesen Effekt überzubewerten. Weil der Welthandel momentan nicht floriert, sollten Anleger mehr denn je zusätzliche Kriterien in ihre Investitionsentscheidungen einfließen lassen.

Eine Abwertung der heimischen Währung kann exportstarken Unternehmen bei starker Auslandsnachfrage zugutekommen.

Lohnt es sich jetzt, US-Aktien zu verkaufen, um Währungsgewinne zu realisieren?


Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Damit ein Aktionär überhaupt Währungsgewinne mit einem Verkauf von US-Aktien realisieren kann, muss er die Papiere zunächst einmal in Euro erworben haben. Ist das der Fall, sollte er zudem prüfen, ob ein Währungsgewinn etwa durch Kursverluste aufgezehrt werden würde.
Falls der Anleger das Kapital nicht unmittelbar benötigt, stellen sich weitere Fragen: Könnte ein voreiliger Verkauf der Papiere künftige Renditechancen zunichtemachen? Und welche Anlageform wäre bei noch hoher Inflation und vergleichsweise niedrigen Zinsen eine bessere Alternative?


Wie stark wirken sich Währungsschwankungen und -risiken für Fondsanleger aus?


Klassische Investmentfonds sind meist nicht auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichtet, sondern auf den langfristigen Vermögensaufbau. Der Effekt von Währungsschwankungen wird in der Regel umso schwächer, je länger der Investmenthorizont ist.
So zeigt etwa ein Vergleich des globalen Aktienindex MSCI World, der die Kursentwicklung von rund 1.600 Aktien aus 23 Industrieländern abbildet, mit seinem währungsabgesicherten [7] Pendant von 2000 bis 2019, dass sich Renditeunterschiede über einen Zeitraum von rund 20 Jahren nahezu ausgeglichen haben [8]. Eine Investition in die teurere währungsabgesicherte Fondsvariante hätte sich im konkreten Fall auf lange Sicht für den Anleger nicht rentiert.

Auf lange Sicht gleichen sich Renditeunterschiede bei Aktien aufgrund von Wechselkursschwankungen in der Regel aus.

Anfälliger für Währungsrisiken können hingegen Rentenfonds mit internationalen Anleihen sein. Hier bekommen Anleger Währungseffekte in der Regel stärker zu spüren, weil die Renditen der Papiere meist niedriger sind als die von Aktien. Besonders, wenn das Portfolio eines Anlegers ein besonders hohes Gewicht einer bestimmten Fremdwährung aufweist, kann eine Währungsabsicherung im Einzelfall sinnvoll sein.

1. Inflation: Nachhaltiger Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus

2. siehe etwa: https://www.zeit.de/wirtschaft/2022-06/inflation-deutschland-mai#:~:text=Egal%20ob%20Strom%2C%20Gas%20oder,fast%2050%20Jahren%20nicht%20mehr., Zugriff am: 18.07.2022

3. siehe etwa: https://www.handelsblatt.com/finanzen/maerkte/devisen-rohstoffe/devisen-euro-rutscht-auf-paritaet-zum-us-dollar-das-bringt-neue-risiken/28497334.html?utm_source=nl&utm_medium=email&utm_campaign=hb-financebriefing&utm_content=13072022, Zugriff am: 18.07.2022

4. Greenback: umgangssprachliche Bezeichnung für den US-Dollar

5. Sicherer Hafen: umgangssprachliche Bezeichnung für eine Kapitalanlage, bei der der prognostizierte Rückfluss des Kapitals mit hoher Wahrscheinlichkeit über dem Wert des Kapitaleinsatzes liegt

6. Rezession: Phase, in der die Wirtschaftsleistung zwei Quartale hintereinander im Vergleich zu den Vorquartalen nicht wächst oder zurückgeht

7. Definition Währungsabsicherung: Währungsabsicherung | Währungsrisiken verstehen | Deutsche Bank (deutsche-bank.de), Zugriff am 23.08.2022

8. Wertentwicklungen der Vergangenheit, [simuliert oder tatsächlich realisiert], sind kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung. Quelle: test.de (2020): https://www.test.de/Waehrungsrisiken-bei-Gold-Fonds-MSCI-World-Muss-ich-das-Risiko-absichern-5166292-0/, Zugriff am: 20.07.2022

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