07. Jul 2022 Aktien

Substanz versus Wachstum. Eine Grundsatzfrage für Anleger?

„Value“ versus „Growth“, Substanz versus Wachstum: Der ewige Kampf der Anlagephilosophien geht derzeit in eine neue Runde. Doch was steckt eigentlich dahinter und welche Strategie ist die richtige?

  • Während Wachstumsaktien schwächeln, erleben Value-Titel derzeit ein ungeahntes Comeback.
  • Steigende Zinsen treiben langfristig die Finanzierungskosten für Wachstumsinvestitionen nach oben.
  • Ein Vergleich zeigt: Es gibt keine klaren Gewinner. Beide Anlagephilosophien haben ihre Stärken.
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Growth oder Value?

Über kaum eine Frage wird unter Aktieninvestoren leidenschaftlicher gestritten. Growth steht für Wachstum und damit für Unternehmen, die – stark vereinfacht gesagt – vor allem in der Zukunft Potential und Chancen auf Gewinne versprechen. „Value“-Investoren dagegen konzentrieren sich mehr auf die Gegenwart. Sie bevorzugen Aktien von Unternehmen, die niedrig bewertet sind und dabei über ein bewährtes Geschäftsmodell verfügen, das stabile Gewinne abwirft. Für beide Strategien gibt es starke Argumente. Doch dazu später mehr.

In den vergangenen Jahren hatten Growth-Aktien meist die Nase vorn. Die Aussicht auf starkes Wachstum und hohe Gewinne in der Zukunft ließ die Herzen der Investoren höherschlagen. Entsprechend stark stiegen nicht nur die Kurse. Auch Bewertungskennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) kletterten immer weiter.

Doch nun scheint sich eine Trendwende abzuzeichnen. Substanz ist auf einmal wieder Trumpf. Value-Aktien erleben ein Comeback, während Growth-Titel von den Investoren derzeit eher gemieden werden.

Grund genug, sich die beiden Kategorien einmal etwas genauer anzusehen. Was genau steckt eigentlich hinter den Kategorien Growth und Value? Wie unterscheiden sich die beiden Anlagephilosophien voreinander und wie erkennt man überhaupt, ob eine Aktie ein Value- oder aber ein Growth-Wert ist?

Zu den Value-Aktien zählen Unternehmen, bei denen die vorhandenen Werte im Vordergrund stehen. Value-Unternehmen sind typischerweise bereits seit vielen Jahren erfolgreich und können auf eine lange, ertragreiche Firmengeschichte zurückblicken. Sie verfügen über ein etabliertes Geschäftsmodell, haben wenig Schulden und profitieren von einer starken, gut abgesicherte Marktstellung mit wenig Wettbewerb.

Meistens wachsen Value-Unternehmen nur noch moderat. Dafür erzielen sie häufig recht zuverlässig hohe Gewinne und können Anleger über attraktive Dividendenausschüttungen beteiligen

Was sind Value-Aktien?

Was spricht für Value-Aktien?


Value-Investoren interessiert vor allem die Gegenwart. Sie fragen danach, was in einem Unternehmen derzeit an Wert vorhanden ist und wie seine aktuelle Gewinnsituation ist. Diese Informationen setzen sie dann ins Verhältnis zu seinem Börsenwert.

Der klassische Value-Stratege sucht gezielt nach unterbewerteten Unternehmen und hofft darauf, dass sich ihr Börsenwert über kurz oder lang ihrem Substanzwert angleichen müsste. Er könnte zum Beispiel nur in Unternehmen investieren, deren Börsenbewertung geringer ist als das derzeit vorhandene Anlagevermögen. Andere suchen eher nach Unternehmen, die konstant hohe Gewinne ausschütten, sodass sie damit ihren Kaufpreis nach relativ kurzer Zeit refinanzieren können.

Ermitteln lässt sich dies anhand von Kennzahlen wie dem schon erwähnten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) oder dem Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV). Auch eine hohe Dividendenrendite ist ein guter Indikator für einen Value-Titel, vor allem dann, wenn die Dividenden konstant und verlässlich über einen langen Zeitraum hinweg gezahlt werden.

Was sind Growth-Aktien?

Growth-Unternehmen zeichnen sich durch ihre konsequente Wachstumsorientierung aus. Oft streben sie in neue Märkte oder versuchen, durch aggressives Wachstum schwächere Wettbewerber zu verdrängen und eine dominante Position in ihrem Markt zu erobern. Kurzum: Ihr Geschäftsmodell ist auf die Zukunft hin ausgerichtet.

Im Gegensatz zu Substanzwerten investieren Growth-Unternehmen oft sehr viel Kapital in ihr Wachstum. Etwa, indem sie an neuen Produkten forschen, moderne Fertigungsanlagen errichten oder massiv in Marketing investieren. Die Folgen sind oft ein relativ hoher Schuldenstand und vergleichsweise niedrige Gewinne in der Gegenwart. Zudem investieren Growth-Unternehmen ihre Gewinne oft lieber in weiteres Wachstum, anstatt sie an ihre Investoren auszuschütten. Deswegen werden häufig nur geringe oder gar keine Dividenden ausgeschüttet.

Investment in Value-Aktien kann sich wieder lohnen

Value-Investing ist durch Börsenlegenden wie Benjamin Graham oder Warren Buffet populär geworden. Durch die extrem niedrigen Zinsen als Folge der Finanzkrise sowie die rasante technologische Entwicklung in vielen Bereichen investierten die Anleger in den vergangenen Jahren allerdings vermehrt in Growth-Werte, mit denen sich deutlich höhere Renditen erzielen ließen. Die aktuelle Trendwende am Finanzmarkt –unter anderem durch die steigenden Zinsen – scheint Value-Investing jetzt aber wieder attraktiver zu machen.

Growth oder Value?

Diese Frage kann nicht eindeutig beantwortet werden. In den vergangenen zehn Jahren wäre man mit einer Growth-Strategie sicherlich besser gefahren. Während zum Beispiel Technologieaktien teilweise Traumrenditen einfuhren, kamen Value-Werte in dieser Zeit kaum vom Fleck.

Letztendlich kommt es bei der Entscheidung für die richtige Anlagestrategie darauf an, was sich der Anleger wünscht. Wer Wert auf regelmäßige Dividendenausschüttungen legt, sollte sich eher in Richtung Value orientieren. Wer eher langfristig orientiert ist und das Risiko nicht scheut, für den sind Growth-Werte häufig die bessere Wahl.

Es gibt insgesamt keine einheitliche Meinung darüber, welche Anlagekategorie besser ist. Auch kann keine der beiden Anlageklassen vor Verlusten schützen. Anleger sind mit einem breit gestreuten Portfolio daher gut aufgestellt. Es ist weniger anfällig für Kursschwankungen und kann für eine  ausgeglichene Gesamtwertentwicklung sorgen.

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