Vorsicht vor dem „Minsky-Moment“

Die Kolumne von Klaus Kaldemorgen für handelsblatt.com

Der „Minsky-Moment“ ist ein plötzlicher Kollaps von Vermögenswerten nach einem langen Kursaufschwung. Im Durchschnitt tritt er nur alle zehn Jahre auf. Einige Vorboten lassen sich nun wiedererkennen.

30.10.2017 / Bei weniger als zehn Jahre Kapitalmarkterfahrung ist Ihnen der sogenannte „Minsky Moment“ bisher erspart geblieben. In meiner beruflichen Karriere durfte ich diesen Moment bereits dreimal erleben und ich fürchte auch ein viertes Mal wird er mir vergönnt bleiben. Der Moment ist statistisch gesehen selten, da er im Durchschnitt nur alle 10 Jahre auftritt, jedenfalls war es in den letzten 50 Jahren so. Laut Wikipedia ist der „Minsky Moment“ ein plötzlicher Kollaps von Vermögenswerten nach einem langen Kursaufschwung, verursacht durch schuldenfinanzierte Spekulationsblasen. Kein geringerer als ausgerechnet der chinesische Notenbankgouverneur warnte kürzlich auf dem chinesischen Parteitag vor der wachsenden Gefahr dieses Moments. Die Ursache sieht er in der ungebremsten Geldschöpfung, die zu Blasenbildung und Exzessen (Bitcoins!) bei Vermögenswerten führt.

Zweithöchste Bewertung am US Aktienmarkt

Getragen von der ultralockeren Geldpolitik der Zentralbanken können Aktien und Anleihen einen langen und sich jüngst beschleunigende Kurszuwachs verzeichnen. Historisch gesehen verzeichnen wir die zweitlängste Hausse seit 50 Jahren mit einer Dauer von achteinhalb Jahren. Die annualisierte Performance über diesen Zeitraum beträgt 16,6%, was in etwa dem Median der vergangenen Boom Phasen entspricht (Werte beziehen sich auf den Index S&P 500). Schaut man auf die Bewertung des Aktienmarktes, so ist zwar kein Rekord zu vermelden, aber immerhin verzeichnen wir die zweithöchste Bewertung am US Aktienmarkt (gemessen am sogenannten Shiller KGV) in Höhe von 32. Übertroffen wurde dieser Wert nur 1999, kurz vor dem Platzen der Technologieblase.

Die Qualität der Hausse

Hohe Bewertungen und die Länge einer Hausse sind hinreichende aber nicht unbedingt notwendige Voraussetzungen für das Platzen einer Hausse. Auch die Qualität des Kursaufschwungs spielt eine Rolle. Die Längste Hausse der Geschichte dauerte 13 Jahre, von 1988 bis 2001. Gründe für diesen langen Aufschwung lassen sich in der Globalisierung und dem technischen Fortschritt (Halbleiter, Internet) finden. Die Produktivität der Unternehmen hat sich in diesem Zeitraum deutlich erhöht, die Märkte verbreitert.

Die gegenwärtige Hausse hat hingegen ein sehr artifizielles Treibmittel, nämlich eine expansive Geldpolitik die in großem Stil Geldschöpfung durch Anleihekäufe betreibt und dies mit einer Nullzinspolitik kombiniert. Aktien werden aus Mangel an Alternativen gekauft. Alternativlosigkeit ist allerdings nicht nur in der Politik gleichbedeutend mit Konzeptionslosigkeit. Schaut man sich den Beginn von Baissen am Aktienmarkt genauer an, so ist diesen in fast allen Fällen ein Zinsanstieg vorrausgegangen, oft motiviert durch einen starken Anstieg der Verschuldung auf unterschiedlichen Ebenen. Die Zinswende ist zumindest in den USA bereits eingeläutet.

Leider lässt auch diese Erkenntnis keinen Schluss darauf zu wann und auf welchem Niveau der „Minsky“ Moment eintrifft. Sollte er eintreten, müssen sie, rein statistisch natürlich, mit Kursverlusten zwischen 27% (niedrigster Wert in einer Baisse) und 57% (höchster Wert) rechnen. Da ist es tröstlich zu wissen, dass eine Baisse im Durchschnitt neun Monate dauert, eine Hausse hingegen etwas länger als vier Jahre. In dieser Zeit werden nicht nur die Verluste komplett ausgebügelt, sondern auch noch ein satter Gewinn erwirtschaftet. Alles rein statistisch natürlich.

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