18. Juni 2021 Aktien

„Wenn man zu dogmatisch agiert, läuft man Gefahr, vom Markt deutlich abgehängt zu werden.“

Jarrid Klug – Fondsmanager des DWS Global Value – hat ein Faible für Aktien aus dem Finanzsektor, Co-Fondsmanager Marcus Poppe eine Vorliebe für Industriewerte: Warum beide Sektoren derzeit viel für Anleger zu bieten haben und weshalb der Rückenwind für Value-Aktien diesmal länger anhalten könnte.

Lesezeit

Seit der globalen Finanzkrise 2008 schnitten Growth-Aktien deutlich besser ab als Value-Werte. Doch in den vergangenen Monaten hat sich das Blatt zugunsten von Value-Aktien gewendet. Ist jetzt sogar ein langfristiges Comeback denkbar?

Marcus Poppe: Die staatlichen Stützungsprogramme in Folge der Coronakrise waren so stattlich, dass die Chance auf ein höheres und länger anhaltendes Wirtschaftswachstum diesmal etwas größer ist als in den vergangenen zehn Jahren. Mit strukturell etwas höheren Inflationsraten sollten sich auch die Zinsen nach oben bewegen. Dann spricht sehr viel dafür, dass Value-Aktien sich über einen längeren Zeitraum besser als reine Wachstumswerte entwickeln könnten.

Jarrid Klug: Wenn wir jetzt in der Erholungsphase mit staatlicher Unterstützung mehr Gewinnwachstum sehen, sollte der Value-Bereich nicht nur ein relativ ordentliches Gewinn-Momentum haben, sondern zusätzlich von einer Bewertungsaufholung profitieren. Die 20 Prozent, die Value-Aktien gegenüber Growth-Papieren seit Beginn der Rotation im November 2020 besser abgeschnitten haben, sind auf den ersten Blick viel, aber im historischen Kontext nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Auf Sicht von 10 Jahren hat der Stil „Wachstum“ den Stil „Value“ um 140 Prozent übertroffen. Das kam zwar durch eine weitaus bessere Gewinnentwicklung zustande, aber zu einem großen Teil auch aus der Ausweitung der Bewertungsprämien für den Wachstumsbereich.

Jarrid Klug

Fondsmanager des DWS Global Value

"Value-Aktien sollten nicht nur von einem relativ ordentlichen Gewinn-Momentum profitieren, sondern auch von einer Bewertungsaufholung"

Jarrid Klug, Fondsmanager des DWS Global Value

Warum schnitten Growth-Aktien seit der globalen Finanzkrise 2008 überhaupt deutlich besser ab als Value-Werte?

Poppe: Die Sektoren, die klassischerweise im Value-Segment zu finden sind, benötigen etwas mehr Wachstum, um eine überdurchschnittlich gute Gewinn-Dynamik zu erzielen. Weil das Wachstum ausgeblieben ist, haben sich die Unternehmen beziehungsweise deren Aktien in Relation zu Wachstumsaktien schwergetan. Abgesehen von kurzen Phasen wirtschaftlicher Erholung war Value daher in den vergangenen zehn Jahren weniger gefragt.

Was sind die typischen Merkmale von Value-Unternehmen, die für Sie eine Rolle spielen?

Klug: Generell steht Value dafür, dass man die Aktien eines Unternehmens mit einem Abschlag zum fairen Wert des Unternehmens kaufen kann. Wir haben für unseren Investmentprozess zwei Arten von Value-Aktien definiert. Wir setzen zum einen auf stabile Value-Aktien, hinter denen ein qualitativ sehr hochwertiges Geschäftsmodell steht. Zum anderen suchen wir zusätzlich nach Unternehmen, die aufgrund einer nicht besonders positiven Geschäftsentwicklung signifikantere Bewertungsabschläge haben – etwa mit Aussicht auf einen Turnaround.

Wie unterscheidet sich der Value-Ansatz des DWS Global Value von dem einer klassischen Value-Strategie?

Klug: Klassischerweise basiert die Value-Strategie auf historischen Kennzahlen. Mit Hilfe der DWS-Research-Plattform und unserer Analysten blicken wir aber auch nach vorne. Wir schauen uns an, wo unsere Gewinnprognosen noch nicht in den Marktschätzungen reflektiert sind. Und: Wir verschließen uns nicht vor attraktiven Unternehmen, die typischerweise dem Wachstumsbereich zugeordnet werden – sofern sie eine attraktive Bewertung und einen Abschlag zum fairen Wert aufweisen.

Marcus Poppe

Co-Head European Equities, Fondsmanager des DWS Deutschland

"Wir verschließen uns nicht vor attraktiven Unternehmen, die typischerweise dem Wachstumsbereich zugeordnet sind"

Marcus Poppe, Co-Head European Equities, Fondsmanager des DWS Deutschland

Technologie ist ein gutes Stichwort. Neben dem Industriesektor sind Sie hier derzeit sogar übergewichtet. Was macht Sie so optimistisch?

Poppe: Aktuell profitiert der Sektor aufgrund der Knappheit bei Halbleitern. Dort haben sich die Preise besser entwickelt als noch vor wenigen Monaten erwartet. Jetzt sehen wir einen klassischen Schweinezyklus – geprägt von einer sehr hohen Nachfrage und niedrigen Lagerbeständen. Das sorgt für ein sehr gutes Preisumfeld.

Und was sorgt im Industriesektor für Rückenwind?

Poppe: Im Industriebereich profitieren derzeit insbesondere die hoch zyklischen Geschäftsmodelle von der wirtschaftlichen Erholung. Wir haben zum Beispiel im Luftverkehrssektor aufgestockt – zum Beispiel Aktien von Fluggesellschaften gekauft. Wir gehen davon aus, dass die große Reisewelle noch kommt bzw. die Normalisierung in diesem Bereich noch am Anfang steht.

Aber auch Finanzwerte sind im DWS Global Value prominent vertreten…

Klug: Richtig. Der Finanzsektor, der wirtschaftlich sehr sensitiv ist, ist einer der wenigen verbliebenen Sektoren, die sowohl auf relativer als auch auf absoluter Basis eine attraktive Bewertung aufweisen. Wenn die Zinsen wieder anziehen, sollten Finanzwerte überproportional davon profitieren können – über ihre Kreditportfolios, aber auch durch Einlagen bei den Zentralbanken.

Typisch für Value-Unternehmen sind hohe Dividendenrenditen. Wie grenzen Sie sich von den Dividendenfonds der DWS ab?

Poppe: Hauptunterschied ist, dass wir die Dividende zwar gerne mitnehmen, sie jedoch nicht in den Fokus bei der Aktienauswahl stellen. Es gibt Geschäftsmodelle, bei denen das Kapital statt für Ausschüttungen besser für die Innenfinanzierung verwendet werden sollte, etwa um die Bilanz zu verbessern beziehungsweise Wachstumsinitiativen zu finanzieren. Für uns ist es dann wichtiger, die Kursentwicklung im Auge zu behalten.

Klug: Wir haben auch einige Unternehmen im Portfolio, die gar keine Dividende zahlen.

Immer mehr Anleger legen Wert auf das Thema Nachhaltigkeit: Welche Rolle spielt das Thema ESG beim Value-Investing?

Poppe: Aufgrund der strukturell bedingten Ausrichtung des Value-Ansatzes auf bestimmte Sektoren, die nach ESG-Kriterien derzeit nicht so gut abschneiden, wie zum Beispiel der Energiesektor, müssen Value-Investoren in Zukunft noch stärker umdenken. Das wird zur Folge haben, dass bestimmte Sektoren zukünftig eine geringere Rolle spielen werden.

Der feiert am 18. Juni 2021 seinen 20. Geburtstag: Welche Lehren ziehen Sie aus den vergangenen Jahren  und welchen Tipp können Sie ihrem Kollegen Jarrid Klug mit auf den Weg geben, der kürzlich von ihnen den Chefposten beim DWS Global Value übernommen hat?

Poppe: Wichtig ist, dass man flexibel bleibt und ganz pragmatisch seinen Stil anpasst. Wenn man zu dogmatisch agiert, läuft man Gefahr, vom Markt deutlich abgehängt zu werden.[1]

 

Weitere Themen

05. Dez. 2024 CIO Special

Defensiv, innovativ, wachsend: der Gesundheitssektor

In diesem Artikel beleuchten wir, was der Gesundheitssektor im Umfeld mauer Konjunkturdaten und sinkender Zinsen zu bieten hat.
21. Nov. 2024 Aktien

"Aktuell bin ich vorsichtig investiert"

Im Interview erklärt Aktienfondsmanager Thomas Schüßler, warum das künftige Kurspotenzial an den Aktienmärkten deutlich begrenzt sein könnte und Dividenden zukünftig wieder eine wichtigere Rolle zukommen könnte.
13. Nov. 2024 Infrastruktur

Infrastruktur-Investments sind eine sehr resiliente Anlageklasse

Interview über Infrastruktur-Investments mit Dr. Peter Brodehser, Fondsmanager des DWS Infrastruktur Europa
07. Nov. 2024 Aktien

Aus für die Ampel: Was jetzt?

Nach dem Ende der Ampel-Regierung in Deutschland richtet sich der Blick auf den deutschen Aktienmarkt: Warum das Ende der Koalition ein gutes Omen sein könnte, der Wahl-Ausgang in den USA zunächst jedoch einen stärkeren Einfluss auf Dax und Co. haben dürfte als das politische Beben in Berlin.
26. Juli 2021 Chart of the week

Wir leben weiter über unseren Verhältnissen

Von Jahresbeginn an bis zum 29. Juli werden wir mehr nachwachsende Ressourcen verbraucht haben, als die Erde in einem Jahr zu bieten hat. Nachhaltig ist das natürlich nicht.
09. Mai 2023 Mischfonds

Real Assets: Wie sich Sachwerte im Portfolio bewähren können

Aktien, denen reale Vermögenswerte zugrunde liegen, können zu einer besseren Diversifikation des Portfolios beitragen und Anlegern eine attraktive Chance auf beständige Erträge bieten.
Mehr entdecken

1. Wertentwicklungen in der Vergangenheit sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Wertentwicklungen. Prognosen basieren auf Annahmen, Schätzungen, Ansichten und hypothetischen Modellen oder Analysen, welche sich als falsch heraus stellen können.

CIO View